Barrieren in Ämtern und Behörden erschweren die Wahrnehmung sozialer Rechte

Hamburg, 05.03.2024. Bundesweit einmalige Erhebung: Wohlfahrtsverbände sammeln erstmals systematisch Daten zu problematischen Vorgängen in der Hamburger Verwaltung.

Nicht auffindbare Unterlagen, lange Bearbeitung von Anträgen oder mangelnde Erreichbarkeit – immer wieder berichten Beratungsstellen davon, dass ihre Klient*innen bei Ämtern und Behörden auf Hürden stoßen. Die Hamburger Wohlfahrtsverbände wollten der Beschwerdelage genauer auf den Grund gehen und haben eine Initiative gestartet, um kritisches Verwaltungshandeln systematisch zu erfassen.

Die Initiative namens „Monitor Verwaltungshandeln“ umfasst eine Website, auf der Mitarbeitende von Beratungsstellen Probleme im Umgang mit Ämtern und Behörden melden können. Zwischen dem Start des Monitors am 11. Oktober 2023 und dem 31. Januar sind 566 Meldungen mit insgesamt knapp 2.000 Problemanzeigen eingegangen, die sich auf verschiedene Ämter und Behörden beziehen. Wie die Auswertung zeigt, betrifft allein die Hälfte der Problemanzeigen das Amt für Migration (Abteilung Auszahlung Asylbewerberleistungen), 39 Prozent der Probleme wurden beim Jobcenter festgestellt.

„Mit dem Monitor haben wir erstmals die Möglichkeit, problematische Vorgänge in Ämtern und Behörden gezielt zu erfassen“, sagt Sandra Berkling von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW), dem Zusammenschluss der Hamburger Wohlfahrtsverbände. „Der Monitor liefert uns konkrete Daten, mit welchen Hürden Beratungseinrichtungen und Klient*innen konfrontiert sind, wenn es um die Durchsetzung sozialer Rechte geht, zum Beispiel um die Beantragung von Geldleistungen.“

Inhaltlich bezogen sich die Meldungen behördenübergreifend vor allem auf drei Problemfelder: Den Umgang mit Unterlagen (41 Prozent aller Problemanzeigen), die Erreichbarkeit (27 Prozent) und das Thema "Geldleistungen und Bearbeitungszeiten" (ein Fünftel aller Meldungen).

  • Als problematischer Umgang mit Unterlagen wurde vor allem beschrieben, dass Unterlagen erneut von den Behörden angefordert werden, obwohl diese bereits eingereicht wurden. Auch das Ausbleiben von Eingangsbestätigungen oder Rückmeldungen zum Bearbeitungsstand wurde oft genannt.
  • Hinsichtlich der Erreichbarkeit wurde als Hemmnis benannt, dass Ämter telefonisch nicht erreichbar waren, obwohl telefonische Sprechstunden oder Hotlines existieren. Ebenso kritisiert wurde, dass trotz offener Sprechstunden keine persönliche Vorsprache möglich war.
  • Beim Thema Geldleistungen und Bearbeitungszeiten wurde am häufigsten das Problem geschildert, dass Leistungsberechtigte nach der Beantragung von Leistungen zum Teil monatelang auf die Auszahlung warten müssen oder auch dass Anträge auf Vorausleistungen bei drohender oder bereits vorliegender Mittellosigkeit trotz offensichtlicher Anspruchsberechtigung nicht innerhalb von einer Woche gewährt werden.

Insbesondere die verzögerte Bewilligung von Leistungen besorgt die Wohlfahrtsverbände:

„Wenn Menschen bei Mittellosigkeit länger als eine Woche oder sogar vergeblich auf Vorausleistungen warten, geraten sie in eine existentielle Notlage. Sollte eine Behörde dann zusätzlich nicht erreichbar sein, ist das für die Betroffenen ungemein belastend“, so Sandra Berkling. „Wir wissen um das Problem des Fachkräftemangels in den Hamburger Behörden und auch, dass viele Mitarbeitende dort ihr Bestes geben. Doch es darf nicht passieren, dass Leistungsberechtigte quasi vor dem Nichts stehen. Sie haben ein Recht darauf, dass die Verwaltung ansprechbar ist und funktioniert.“

Den Bericht zum Monitor Verwaltungshanden hat die AGFW bereits am 28. Februar auf einer Fachtagung vorgestellt, die von 200 Personen besucht wurde. Die Lösungsvorschläge, die auf der Tagung gesammelt wurden, wird die AGFW nun mit Verwaltung und Politik besprechen. Konkret hat die AGFW folgende Erwartungen:

Um Notlagen zu vermeiden, braucht es ein unbürokratisches Vorgehen.

  • Bei offensichtlicher Anspruchsberechtigung müssen Leistungen auch ohne abgeschlossene Prüfung vorübergehend gewährt werden, Anträge auch vor einer ab-schließenden Prüfung vorübergehend beschieden werden.
  • Außerdem müssen Leistungsberechtigte über die Möglichkeit von Vorauszahlungen informiert werden.

Kommunikationsmöglichkeiten müssen ausgebaut werden, die Erreichbarkeit muss sichergestellt sein.

  • Ämter und Behörden müssen über verschiedene Kommunikationskanäle (Telefon, Mail, elektronische Portale) erreichbar sein. Wünschenswert sind u.a. telefonische Hotlines, wie sie bereits das Jobcenter breitflächig eingeführt hat.
  • Digitale Zugänge über Online-Portale müssen benutzerfreundlich und verständlich gestaltet sein, zum Beispiel durch die Verwendung einfacher Sprache und ein mehrsprachiges Angebot.
  • Für Mitarbeitende von Beratungsstellen muss es sogenannte „Fast Lanes“ geben, d.h. direkte Kontaktmöglichkeiten zu Sachbearbeitenden in den Behörden.
  • Generell sollte es in allen Ämtern und Behörden zentrale Anlaufstellen geben, die Leistungsberechtigte umfassend zu Abläufen informieren, die Antragsstellung erläutern und beim Ausfüllen von Unterlagen unterstützen – bislang bleibt diese Aufgabe fast komplett den Beratungsstellen überlassen.

Der Umgang mit Unterlagen und die Kommunikation dazu müssen verbindlicher werden.

  • Es ist erforderlich, die Bearbeitung von Unterlagen behördenintern so zu optimieren, dass Unterlagen nicht erneut angefragt werden müssen.
  • Ämter und Behörden sollten regulär eine Eingangsbestätigung ausstellen und innerhalb einer angemessenen Zeitspanne (14 Tage) eine Rückmeldung zum Bearbeitungsstand geben.

Der „Monitor Verwaltungshandeln“ ist abrufbar unter tinyurl.com/monitor-verwaltungshandeln. Das 1. Reporting finden Sie hier.

Pressekontakt AGFW Hamburg e.V.
Sandra Berkling
Tel.: 040 60 77 46 512 // Mobil: 0151 42 54 74 68
Email: sandra.berkling@agfw-hamburg.de

  • 2024-03-05